Fishattacks

Spitzbergen

Fischen auf Svalbard

Von Kai Witt

Wir kennen sie ja schon, die zahlreichen Berichte aus den Traumrevieren Norwegens, mit kapitalen Fischen und spektakulären Drillszenen. Klar, so etwas möchte man lesen…. Aber wie steht es eigentlich um die Touren, die so richtig „in die Hose“ gegangen sind? Nun, von einer solchen Reise möchte ich heute berichten. Angefangen hatte alles mit der Feststellung, dass die Fischerei in Norwegen eigentlich immer spannender wird, je weiter man Richtung Norden kommt (die wenigen Ausnahmen seien hier einmal unberücksichtigt). Was lag also näher, als auf der

Spitzbergen

Hier sehen auch die Schilder etwas anders aus...

Landkarte nachzuschauen, welches denn wohl das nördlichste aller Reiseziele in Norwegen ist? Na klar, Spitzbergen (norweg. Svalbard) natürlich – ein Inselreich (Archipelago), welches sich bis hin über den 80. Breitengrad erstreckt. Hier sollte doch die Fischerei geradezu überwältigend sein, nachdem was man alles schon auf dem norwegischen Festland kennen gelernt hatte. Gesagt, getan – schnell waren die Tickets via Oslo und Tromsø bis nach Longyearbyen (Hauptstadt von Spitzbergen) für meinen Bruder Max und mich gebucht und die Expedition konnte losgehen. Bei der Ankunft drückte mir unser Kontaktmann vor Ort erst einmal ein großkalibriges Gewehr in die Hand. „Nur für alle Fälle – falls einer der rund 6000 Eisbären hier einmal unfreundlich werden sollte“, so seine Worte…. „na ja, und außerdem habt Ihr halt ein Schlauchboot..…und Eisbären sind ziemlich gute Schwimmer… also: sicher ist sicher…“

Nach dieser vertrauenserweckenden Begrüßung konnten wir es natürlich kaum noch erwarten, endlich aufs Wasser zu kommen. Zunächst wurden aber noch in einem der wohl nördlichsten Pubs auf diesem Erdball die Pläne für die Angeltouren der nächsten Tage geschmiedet. Und auch die Kneipen sind hier oben sehr speziell und erinnern ein wenig an den Wilden Westen – am Eingang steht ein großer Gewehrständer wo alle Gäste ihren Schießprügel für die Dauer ihres Besuches am Tresen abzugeben haben. Na dann, Prost!

So konnte es also am anderen Morgen losgehen – mit einem wirklich guten und seetüchtigen „Zodiac“ Schlauchboot, welches durch den 40 PS Viertakter einen großen Aktionsradius ermöglichen sollte. Denn das Beste war: Das Wetter hätte traumhafter nicht sein können – für die nächsten 12 Tage hatten wir fast ausschließlich spiegelglatte See und konnten den kompletten Eisfjord hoch und runter fischen. Die mitgebrachten Naturköder ergänzten dabei die Möglichkeiten es mit Kunstködern aller Art in Wassertiefen von 10 bis über 300 Meter zu versuchen. Optimaler hätten die Bedingungen kaum sein können.

Spitzbergen

Fischen an der Eiskante

An dieser Stelle wäre es an der Zeit die Geschichte zu beenden und den Rest der Phantasie des Lesers zu überlassen…… Denn was nun folgte, scheint beinahe unglaublich — am Ende der Tour bestand das gesamte Fangergebnis aus genau — einem Fisch…..(!)

Und es war nicht nur irgendein Fisch, sondern ein „kapitaler“ Seeskorpion von gut und gern 15 cm, welcher in „Colesbay“ (dies ist eine Bucht außerhalb Lonyearbyens auf dem Weg nach Barentsburg – und ist seit dem mein absoluter Hotspot auf Spitzbergen) dem Heringsfetzen nicht wieder stehen konnte. Von dem packenden Drill dieses „Kaventsmannes“ werde ich wohl meinen Urenkeln noch an kalten Winterabenden erzählen.

Spitzbergen

Angeln mit Gewehr im Anschlag

Ratlosigkeit, ja geradezu Fassungslosigkeit machte sich bei uns breit. Hatten wir das Fischen komplett verlernt? Ein Besuch bei der örtlichen Sektion der Universität Tromsø brachte dann bei Gesprächen mit mehreren Meeresbiologen die erhoffte Erklärung. Man stellte uns freundlicherweise sogar Fangberichte der Forschungsschiffe zur Verfügung, welche über viele Stunden mit großen Schleppnetzen den Eisfjord abgefischt hatten. Das Ergebnis war ernüchternd und verblüffend zugleich – bei ausgedehnten Fangfahrten befanden sich gerade mal eine Handvoll Fische, wie Doggerscharben, Polardorsche, oder halt auch Seeskorpione im Netz. Wenn man bedenkt, dass die Gegend eine enorme Vogelpopulation beherbergt, welche sich zum Großteil von kleinen Wassertieren, wie z.B. Krill ernährt, ist es geradezu unglaublich, dass dieses reichhaltige Nahrungsangebot nicht auch eine große Palette unterschiedlicher Fischarten anzieht. Mitnichten. Warum dies so ist, konnten uns die Marinebiologen zumindest teilweise erläutern – extrem kalte Wassertemperatur und sehr geringer Salzgehalt aufgrund des vielen Schmelzwassers von den Gletschern. Die gute, nein, die wirklich sehr gute Fischerei, beginnt erst rund 100 Seemeilen vor der Küste Spitzbergens, da bis hierher der Golfstrom reicht – leider etwas zu weit für uns..

Bevor nun jemand meinen könnte, er hätte es schon vorher gewusst, dass auf Spitzbergen mit der Angel nichts zu holen ist: Die Tour möchten wir trotzdem nie missen.

Spitzbergen

Das Eis für den Whisky

Und als wir dann abends noch bei einem Whiskey zusammen saßen, welchen wir mit „selbstgefangenem“ zwölftausend Jahre altem Gletschereis veredelt hatten, wurden schon die nächsten Pläne geschmiedet, die noch unerforschten Angelreviere auf diesem Planeten zu erkunden.   ….ach ja — der Seeskorpion wurde natürlich schonend releast und treibt seitdem weiter sein Unwesen in Colesbay. Er wird wohl noch so manchem unbelehrbaren Angler einen packenden Kampf liefern. Und er ist inzwischen auch bestimmt noch ein Stück gewachsen…